Verleger-Sohn Joachim Unseld reicht Klage ein gegen den Umzug von Suhrkamp nach Berlin
Wird der Umzug des Suhrkamp Verlags von Frankfurt nach Berlin auf juristischem Wege verhindert? Oder zumindest verzögert? Joachim Unseld, der Sohn des 2002 verstorbenen Suhrkamp-Verlegers Siegfried Unseld, ist bis heute mit 20 Prozent am Verlag beteiligt und hat, wie er jetzt bestätigte, beim Frankfurter Landgericht Klage eingereicht gegen die Entscheidung der Suhrkamp-Geschäftsführung, den Firmenstandort nach Berlin zu verlegen. Er prozessiert damit gegen Ulla Berkéwicz, die zweite Frau und Witwe seines Vaters, die sich seit 2003 als Mehrheitseignerin (mit 51 Prozent der Anteile) selbst zur Geschäftsführerin des Verlags bestellt hat. Aus juristischer Sicht ist die Sachlage schwierig. Schon als die ersten Gerüchte umgingen, Suhrkamp wolle nach Berlin aufbrechen, nannte Joachim Unseld das Vorhaben einen „Umzug in die Provinz“ und ließ wenig Zweifel an seiner ablehnenden Haltung. Anfang Februar gab Ulla Berkéwicz dennoch bekannt, die Gesellschafter (zu denen mit 29 Prozent auch die Medienholding AG Winterthur gehört) begrüßten „mehrheitlich“ ihren Vorschlag zum Standortwechsel. Damit scheint sich nun ein fabelhaftes Schlachtfeld für Wirtschaftsanwälte aufzutun. Denn einige Juristen stehen auf dem Standpunkt, ein Minderheitengesellschafter wie Joachim Unseld habe kein Vetorecht gegen ein Umzugsvorhaben, andere wiederum vertreten die Ansicht, eine so weitreichende Entscheidung wie die Verlegung des Firmenstandortes müssten von Gesellschaftern einstimmig gefasst werden. Doch ob dieser Konflikt tatsächlich in einem langen, quälenden Verfahren vor Gericht ausgetragen wird, ist zumindest fraglich. In der Buchbranche pfeifen es die Spatzen von den Dächern, dass Joachim Unseld den Dauerstreit mit seiner Stiefmutter schon geraume Zeit leid ist und seine Suhrkamp-Anteile veräußern will. Es sollen bereits erste Gespräche zwischen Ulla Berkéwicz und ihm über einen möglichen Verkaufspreis stattgefunden haben. Nachdem Ulla Berkéwicz aber den 1. Januar 2010 als Umzugstermin bekannt gab, hat sie sich unter Zeitdruck gesetzt. Mit der Klage Unselds gegen die Entscheidung dürfte sich dieser Druck erhöhen. Denn falls er sich um eine einstweilige Verfügung gegen den Umzug bemühen und sie tatsächlich erwirken sollte, könnte er sogar gegen weitere Vorbereitungen für den Umzug juristisch vorgehen. All diese Querelen kann sich Ulla Berkéwicz aber vom Halse schaffen, wenn sie mit ihrem Stiefsohn handelseinig wird – doch je näher der 1. Januar rückt, desto weniger entgegenkommend dürfte der bei Preisverhandlungen sein. Vielleicht war es also nicht der klügste Schachzug, die eigenen Mitarbeiter und die Öffentlichkeit mit dem Umzugsplan zu überraschen und ihn erst danach in den Details zu organisieren. Nach Verlagsangaben erhielten 115 Suhrkamp-Angestellte zum 31. März eine Änderungskündigung, mit der sie vor die Alternative gestellt werden, entweder ihrem Arbeitsplatz nach Berlin zu folgen oder sich arbeitslos zu melden und den von Verdi ausgehandelten Sozialplan in Anspruch zu nehmen. Nach Schätzungen des Betriebsrats wird wohl rund ein Drittel der Belegschaft nicht in die Hauptstadt umziehen und Suhrkamp also verlassen. Für den Verlag bedeutet das einerseits einen massiven Verlust an Kompetenz, andererseits aber die Chance, sich in deutlich kleinerem Format in Berlin neu zu erfinden. Ungeklärt ist zudem die Frage, wo Suhrkamp künftig in Berlin residieren wird. Nach wie vor liebäugelt der Verlag mit dem im Februar effektvoll präsentierten Nikolai-Haus. Doch das muss zuvor saniert werden. Ob das Gebäude genügend Raum bietet, wird leichter abzusehen sein, wenn sich in den nächsten Tagen herausstellt, wie viele Mitarbeiter ihrem Arbeitsplatz an die Spree folgen. Doch auch in dieser Immobilienfrage gibt es juristische Probleme. Denn offenbar genießt ein ehemaliger Museumsdirektor ein lebenslanges Wohnrecht im Nicolai-Haus. Eins aber steht jetzt schon fest: Der Umzug wird teuer. Der Sozialplan für die nicht berlinwilligen Suhrkamp-Angehörigen dürfte in die Millionen gehen, die Umzugs- und die Sanierungskosten ebenfalls. Bei der Frage, ob diese Summen vom Verlag oder vom Land Berlin übernommen werden, sind beide Seiten wenig auskunftsfreudig. Auf jeden Fall will Suhrkamp die beiden Gebäude im Frankfurter Westend, in denen der Verlag bislang untergebracht war, zu Geld machen. Mit einem Entgegenkommen der städtischen Behörden kann er dabei allerdings nicht mehr rechnen – denn nachdem Suhrkamp allen Frankfurter Mitarbeitern die Änderungskündigung zuschickte, ist klar, dass kein Verlagsteil am alten Ort verbleiben soll. Eines der beiden Grundstücke, die Suhrkamp jetzt verkaufen will, ist rechtlich für Wohngebäude ausgewiesen. Siegfried Unseld hatte seinerzeit bei der Stadt eine befristete Erlaubnis zur gewerblichen Nutzung erwirken können. Die wird nun wohl nicht verlängert werden. Grundstücke, die für Wohnhäuser vorgesehen sind, haben im Frankfurter Westend aber einen deutlich niedrigeren Wert als die, auf denen auch Bürogebäude stehen dürfen.