Das Frankfurter Museum für Komische Kunst feiert mit Hans Traxler einen der raren Großmeister des Cartoons
Da ist zum Beispiel diese Frau mit Campingbus. Souverän steuert sie über nordafrikanische Sandpisten, fest entschlossen, keine Abstriche an ihren Vorstellungen von Lebensqualität zu akzeptieren. Also stoppt sie im nächstgelegenen Dorf, verlässt den Bus mit dem Sauger in der Hand und fragt eine ratlose Nordafrikanerin: „Avez-vous des Staubsaugerfilterbeutel?“ Oder dieses alte Paar, das mitten im Urwald einen Garten anlegt, in dem die Tulpen antreten wie ein Regiment aufrechter Zinnsoldaten. Oder Herr Bartels, der seine Frau gebeten hat, ihn dabei zu unterstützen, sich öffentlich besser zur Geltung zu bringen. Und den seine Frau nun täglich auf dem Weg zur Arbeit begleitet und dabei das Licht eines tragbaren Scheinwerfers auf ihn richtet. Der Cartoon ist eine in Deutschland wenig gepflegte, selten zur Blüte gebrachte Kunst – und Hans Traxler ist einer ihrer raren Großmeister hierzulande. Die „Caricatura“, das Museum für komische Kunst in Frankfurt, eröffnet jetzt kurz vor seinem 80. Geburtstag eine große Werkschau zu seinen Ehren. Eine Ausstellung, die nicht nur die Lebensleistung Traxlers vergegenwärtigt, sondern auch eine Ahnung von den Anforderungen gibt, vor denen sich ein Cartoonist von seiner Kunst gestellt sieht. Denn anders als die Karikatur verzichtet der Cartoon auf verzerrende oder überspitzende optische Mittel. Er zielt auf die Erheiterung des Publikums durch nur ein Blatt und eine Textzeile – ohne dass beide die Grenzen einer kultivierten Mittellage überschreiten. Mit anderen Worten: Der Cartoon muss den anarchischen Kern der Komik spürbar machen, greift dabei aber nicht zur Pappnase des Clowns, sondern besteht darauf, sich so elegant zu kleiden wie zum Opernbesuch. Hans Traxler hat bei der Lösung diese Aufgabe – so wie Sempé, wie Loriot, Robert Gernhardt oder Bernd Pfarr – zu einem unverwechselbaren Stil gefunden, der längst nicht mehr nur von den Insidern des Cartoon-Gewerbes auf den ersten Blick erkannt wird. Wie der Comic-Klassiker Hergé ist er ein Anhänger der Ligne Claire – und Traxlers klare Linie meidet alles Schrille und Aggressive. Sie neigt vielmehr dazu, den Figuren etwas Sanftes, Rundes, In-sich-Ruhendes zu geben. Und die Welt, in der Traxler sie auftreten lässt, hat nicht selten einen Zug zum Idyllischen. Was nicht heißen soll, dass es Traxlers Cartoons an Komik oder Biss fehlt. Im Gegenteil: Den Witz seiner Blätter schöpft er nicht zuletzt aus dem Widerspruch zwischen harmonisch gezeichneten Szenerien und den alles andere als harmonischen Dingen, die sich in diesen Szenerien zutragen. Wie zum Beispiel die Zeichnung jenes lieblichen Ferienstrands, auf dem Touristen in der Sonne bräunen. Einem von ihnen schlägt allerdings das politische Gewissen angesichts eines farbigen Souvenir-Verkäufers, der mit seinem Bauchladen in der Hitze vor den Erholungssuchenden steht und gibt ihm den guten Rat: „Sie sollten lieber in Ihr Heimatland gehen und dort gegen Ihre Unterdrücker kämpfen.“ Immer wieder gelingt es Traxler mit seinen so unaufgeregten Blättern veritable kleine Psychodramen zu erzählen. Wenn etwa eine Frau im soliden Business-Kostüm von einem waschechten weißen Ritter komplett mit Pferd, Rüstung und Lanze von der Straße weg voll Leidenschaft entführt wird, ruft ihr ihre Freundin nach: „Laß Dir seinen Ausweis zeigen, leih ihm kein Geld und behalte Deine Wohnung!“ Oder wenn bärtige, bebrillte Herren irgendwo auf einer Waldlichtung aus einem Käfig freigelassen werden und es in der Textzeile dazu heißt, Wissenschaftler aus dem „Institut für Sozialforschung“ seien nun im Hochtaunus ausgewildert worden, „um sie an das Leben in der postmarxistischen Ära zu gewöhnen.“ Die heftigste emotionale Bindung unterhalten viele von Traxlers Figuren mit sich selbst. Eine Leidenschaft, die sie nicht nur höchst realistisch wirken lässt, sondern aus der Traxler einen munter sprudelnden Quell erhellender Komik gemacht hat. Als er 2005 gebeten wurde, eine Plastik für das Frankfurter Mainufer zu entwerfen, ließ er ein frei zugängliches Denkmals-Podest mit der Inschrift „Ich“ errichten. Es ist in verkleinertem Maßstab auch in der Ausstellung zu sehen. Jedermann kann es über drei Stufen besteigen, um sich darauf als Monument seiner selbst zu präsentieren. Es ist dieser unbedingte Glaube an die eigene Grandiosität und die Durchsetzbarkeit der persönlichen Wünsche, mit der sich Traxlers Helden vor aller Welt bloßstellen und die sie mitten in der Wüste nach Staubsaugerfiltertüten verlangen lässt – wenn sie nicht gerade Tulpen in Reih und Glied pflanzen oder ihre Ehefrauen dazu auffordern, sie um eines höheren Ansehens im Büro willen öffentlich effektvoll in ein besseres Licht zu rücken. Gewöhnlich gelten das überraschende Missgeschick, das offenkundige Scheitern und die Bruchlandung hochfliegender Pläne als der verlässliche Born der Komik. Bei Hans Traxler kann man lernen, dass es manchmal auch die erfüllten Träume sind, die zu den verräterischen und deshalb erheiternden Katastrophen führen. So zum Beispiel bei Hans Joachim, der in seinen besten Kleidern in einer nur sehr spärlich besuchten Kirche vor dem Altar steht und den der Pastor fragt: „Willst Du, Hans Joachim, Dir die Treue halten in guten wie in schlechten Tagen, so sage ja!“
Hans Traxler: Cartoons Reclam Verlag, Stuttgart 2009 381 Seiten, 20,00 €