Kehlmann und die Komik
Die Aufregung um Daniel Kehlmanns neuen Roman ist groß. Und das zu Recht in meinen Augen. Denn „Ruhm“ ist ein hoch intelligentes und packendes, ein sehr komischen und zugleich sehr ernstes Buch. Bei seinem Erscheinen stieg es gleich auf Platz Eins in die diversen Bestsellerlisten ein und hält sich in der Spitzengruppe. Die Verkaufszahlen sind, meldet der Verlag, sechsstellig. Da bleibt nur, dem Autor zu seinem zweiten großen Wurf in Folge und allen Lesern zu diesem Autor zu gratulieren. Doch im Rummel um „Ruhm“ droht ein anderes, ein schmales Buch von Kehlmann unterzugehen. Was schade wäre. Mit Sebastian Kleinschmidt, dem Herausgeber der Zeitschrift „Sinn und Form“, hat er zwei lange Gespräche geführt, die unter dem Titel „Requiem für einen Hund“ erschienen sind. Kehlmanns Hund Nutschki begleitete die Gespräche schweigend und starb kurz darauf, weshalb Kehlmann und Kleinschmidt ihm das Bändchen widmeten. Die beiden treiben hier nicht das übliche Frage-Antwort-Spiel des Interviews. Sie lassen sich auf einen konzentrierten Dialog über literaturtheoretische Fragen ein. Wieder einmal zeigt sich, dass Kehlmann nicht nur kluge Romane zu schreiben versteht, sondern auch Kluges über die Kunst des Romans zu sagen hat. Meist werden sich Kleinschmidt und er schnell einig. Doch in einem, wie ich finde, aufschlussreichen Punkt bleiben mehr Fragen offen, als Antworten gefunden werden. Kehlmann hat oft beschrieben, wie glücklich er war, als es ihm in „Ich und Kaminski“ (2003) erstmals gelang, seinen Romanen ein dezidiert komisches Element hinzuzufügen. Da er mit diesem Buch dann bei Kritikern wie Lesern auch seinen ersten großen Erfolg erzielte, liegt der Verdacht nahe, dass gerade dieser Sinn für Komik seine Arbeit auf ein neues literarisches Niveau hob. Kein Zufall also, dass Kleinschmidt und Kehlmann in ihrem Gespräch lange um eine Definition des, wie sie sagen, „Humors“ ringen – obwohl Humor wohl eher die Gabe eines Menschen bezeichnet, Komisches zu genießen, nicht aber das Talent, Komik zu erzeugen. Lehrreich scheint mir, dass Kleinschmidt versucht, zwischen guter und schlechter Komik zu unterscheiden, dass er mit einem ethischen Argument in eine ästhetische Diskussion eingreift: „Entscheidend ist, das der Humor seinen Vorteil nicht auf Kosten seines Gegenstandes oder seines Gegenübers erringt.“ Er wirbt mit Fontane für die „verklärenden Macht des Humors“. Kehlmann dagegen verteidigt den „eisigen Sarkasmus“, den „eisigen Humor“. Tatsächlich juckt es einen als Leser ja wenig, wenn in einem Roman Pointen auf Kosten einer naturgemäß fiktiven Romanfigur gemacht werden. Wichtig ist nur, ob die Pointe schlagartig etwas über die Figur klar macht – und sie eben nicht verklärt. Ein kleiner Dialog nur, aber er verrät doch viel über die tief sitzende Bereitschaft hierzulande, die Literatur zuallererst unter moralischen, statt unter ästhetischen Gesichtpunkten zu betrachten.
Daniel Kehlmann und Sebastian Kleinschmidt: „Requiem für einen Hund“. Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2008 132 Seiten, 12,80 €