„Hurra, die Krise ist vorbei“

Das neue Buch von Greser & Lenz und ihre Ausstellung im Frankfurter Museum für komische Kunst

Politische Karikaturen werden gewöhnlich von Politikern bevölkert. Oft genug sind sie darauf mit nur vager Ähnlichkeit porträtiert, dafür aber in höchst eindeutigen Positionen, etwa wie sie an den Stühlen ihrer Gegenspieler sägen, Bürgern die Geldbörsen aus der Tasche ziehen oder Spritzen setzen bei Gestalten, die über der Brust wahlweise Aufschrift wie „Banken“, wie „Krankenkassen“ oder auch „Autoindustrie“ tragen. Nüchtern betrachtet sind das keine Karikaturen, sondern platte Illustrationen von eher platten Gedanken zu tagespolitischen Vorgängen – und leider sind sie nur selten komisch. Wie gründlich und erfolgreich das Zeichner-Duo Greser & Lenz mit dieser Tradition der deutschen Karikatur gebrochen hat, ist jetzt in der großen Ausstellung „Hurra, die Krise ist vorbei“ im Frankfurter Museum für komische Kunst zu besichtigen. Das Museum bezog erst im vergangenen Oktober sein eigenes Haus. Doch in dem Vierteljahr seither hat es mit seiner Eröffnungsausstellung zum Werk des früh verstorbenen Cartoonisten Bernd Pfarr mehr Besucher angezogen als zuvor in einem ganzen Jahr, als es noch unterm Dach des Historischen Museums Frankfurts untergebracht war. Die neue Institution ist nicht nur für die Stadt, sondern weit darüber hinaus zu einem attraktiven Zentrum für die komische Spielart der bildenden Kunst geworden. Auf den Zeichnungen von Greser & Lenz sind selten die gewählten Amtsträger des Landes, die Parteivorsitzenden, Kanzler oder Präsidenten zusehen. Hier mal ein Seehofer, da mal ein Schröder, Merkel fast nie. Vielmehr geben die beiden dem demokratischen Souverän die Ehre, also dem Wahlvolk selbst. Wenn also wieder einmal von der Kostenexplosion im Gesundheitswesen und der Überproduktion in der Landwirtschaft die Rede ist, tritt in ihrem entsprechenden Bilderwitz weder der Gesundheits- noch der Landwirtschaftsminister auf, sondern ein kränkelnder Bauer, dem sein Arzt eröffnet: „Die Behandlung wird Ihrer Kasse zu teuer. Sie hat mir eine Stilllegungsprämie für Sie in Aussicht gestellt.“ Oder wenn neue beunruhigende Zahlen zur Altersarmut die Runde machen, ist auf ihrer Karikatur keiner der unvermeidlichen Sozialpolitiker zu sehen, sondern eine gebeugte Gestalt mit Gesichtsmaske, Pistole und Gehilfe, die den Apotheker bedroht: „Eine Tube Hämorrhoiden-Salbe, 20 Viagra und ein Liter Herztropfen, aber dalli.“ Ein entscheidender Vorzug der Karikaturen von Greser & Lenz ist, das sie nachweislich komisch sind. Sie bringen, was auch bei der Eröffnung der Ausstellung nicht zu überhören war, die Betrachtet tatsächlich zum Lachen. Die beiden – im bürgerlichen Leben Achim Greser und Heribert Lenz – haben ihrer kleine Zeichnungs-Manufaktur den Namen „Witze für Deutschland“ gegeben, und damit nicht übertrieben. Gnadenlos nutzen sie die Fallhöhe zwischen der angeblich so hoher Politik und der Banalität des gewöhnlichen Lebens. Das Ergebnis ist nicht immer rundum feinsinnig und schon gar nicht politisch korrekt. Aber lustig. Wenn es in den Schlagzeilen heißt, Deutschland profitiere von eingewanderten Fachkräften, zeichnen sie den afrikanischen Medizinmann Mbongo, wie er mitten in der deutschen Provinz mit Knochen in der Hand beschwörend ums Lagerfeuer tanzt, während der moribunde Patient „Ach, Herr Docktor“ haucht, „ich bin ja so froh, dass die Praxis endlich wieder besetzt ist. Vor entschlossenen Typisierungen schrecken Greser & Lenz nicht zurück. Jeder Neonazi hat bei ihnen ein Stiernacken und ist sofort als Schläger zu erkennen. Jeder Chef fährt Mercedes, jeder Bayer trinkt Bier und jeder Koch ist fett. Klischees wollen sie nicht durchbrechen, sondern benutzen. Denn erst durch Vereinfachung kann die schnell Pointe zünden. Wenn sie den gesamten Vorstand der Deutschen Bank wegen der Finanzkrise sparsam vor einem Kiosk tagen lassen, dann trägt Josef Ackermann natürlich Unterhemd, Trainingshose und Sandalen, wenn er für seine Leute bestellt: „Zwei Dosen Bier und eine Quittung fürs Finanzamt“. Der einzigen Weltanschauung, der sich Greser & Lenz verpflichtet fühlen, der einzige Gott, dem sie opfern, ist die Komik. Ansonsten werden Rücksichten nicht genommen. Die Organisation, die bei ihnen Senioren für höhere Rente demonstriert, trägt den schönen Namen „herz attac“. Im Terrorcamp werden die Taliban neuerdings zu Investmentbankern ausgebildet: „Derivate und Zertifikate, viel gutt!“ Und vor der Amtsübernahme des neuen amerikanischen Präsidenten wird das Weiße Haus schon mal schwarz angestrichen. Doch wer auf ihren Karikaturen nicht nur den Witz sucht, sondern genauer hinschaut, erkennt rasch, dass Greser & Lenz trotz aller Frechheit einen oft sehr zarten Blick auf die Welt pflegen. Seit etlichen Jahren liefern sie rund sieben Bilderwitze wöchentlich ab. Mit vielen davon arbeiten sie an einer liebevollen optischen Bestandsaufnahme des deutschen Alltags. Wie heutzutage und hierzulande Werkhallen und Villen, Kirchen und Kneipen (diese wunderbaren Kneipen!), Behörden oder Bahnhöfe Wohnstuben und Supermärkte aussehen – auf ihren Karikaturen ist es in knappster Form eingefangen Greser & Lenz: „Hurra, die Krise ist vorbei!“ Kunstmann Verlag, München 2009 191 Seiten, 18,90 €

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