„Esra“ ist frei und verboten. Ein Kommentar

„Esra“ ist frei und verboten. Ein Kommentar 
Im vergangenen Oktober hat der erste Senat des Bundesverfassungsgericht den Roman „Esra“ von Maxim Biller mit fünf zu drei Stimmen endgültig verboten. Senatspräsident Hans-Jürgen Papier ließ es sich nicht nehmen, das Urteil während der Buchmesse zu verkünden. Dem in Frankfurt versammelten Literaturbetrieb sollte auf diese Weise wohl symbolsprachlich ins Bewusstsein gebracht werden, wer hierzulande über Möglichkeiten und Grenzen der Literaturfreiheit das letzte Wort zu sprechen hat. Nämlich die Juristen, nicht die Autoren. Das Verbot erfolgte auf Grund der Klage von Billers Ex-Freundin, die sich in dem Roman wiedererkannte und in ihrer Intimsphäre verletzt fühlte. Eine zweite Klage von deren Mutter, die sich in dem Buch verunglimpft sieht, hat das Verfassungsgericht bei dieser Gelegenheit an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen. Der musste nun noch einmal prüfen, ob auch deren Klage zu recht besteht – und hat den Roman jetzt gegen die zweite Klägerin in Schutz genommen. Nach den neuen Vorgaben, die das Verfassungsgericht formuliert habe, gebührt nach Ansicht des BGH in diesem Fall „der Kunstfreiheit der Vorrang“. Das ändert nichts an dem Urteil im ersten Fall. Billers Roman „Esra“ bleibt auch künftig verboten. Es hat aber Auswirkungen auf die Schadenersatzansprüche der zweiten Klägerin. Das Münchner Landgericht hat der ersten Klägerin bereits Schmerzensgeld in Höhe von 50 000 Euro zugesprochen. Die zweite wollte ebensoviel, wird nun aber leer ausgehen. Das belegt noch einmal, welche enorme Bedeutung das Urteil des Verfassungsgerichts vom letzten Herbst hatte. Es hat die Literaturfreiheit hierzulande neu definiert. Wie bereits die drei Gegenstimmen innerhalb des Ersten Senates zeigten, bleibt es ein hochproblematisches Urteil. Aber es hat zumindest für so viel Klarheit gesorgt, dass Bücher in manchen anderen Fällen leichter freigesprochen werden können.

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