Klaus Eck ist der mächtigste Verleger Deutschlands.
Sein Buch-Imperium hat die Konkurrenten längst weit hinter sich gelassen. Doch eine Lücke bleibt. Und schmerzt. Das Leben ist launisch, es schlägt Haken. Selbst einem Erfolgsmenschen wie Klaus Eck gelingt nicht alles. Eigentlich träumte er von einer glänzenden Karriere als Hotelbetrüger. Damals, mit Fünfzehn, als er im Regal der Eltern Thomas Manns „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ entdeckte. Sofort erlag er dem Charme des Titelhelden. Und dem Charme wahrhaft großer Literatur. Das sollte sein Leben werden. Doch wie leicht verfehlt man sie, die zarten Träume der Jugend. Karriere hat Klaus Eck gemacht und weiß Gott eine glänzende. Aber nicht im glorreichen Arbeitsfeld Felix Krulls, sondern im ehrbaren Beruf des Verlegers. Heute ist er der Mächtigste seines Standes in Deutschland, ein Tycoon der Buchbranche. Gleich 45 Verlagsprogramme hören auf sein Kommando. 328 Millionen Umsatz bringen sie jährlich auf die Waage. Random House heißt sein Imperium, beim Leser nach wie vor besser bekannt unter dem alten Namen Bertelsmann. Klaus Eck ist trotz seiner Machtfülle ein auffällig umgänglicher Mensch, ein Herrscher, der nicht herrisch auftritt. Wie ein Stopp-Schild trägt er den Satz vor sich her: „Random House ist keine One-Man-Show“, und betet routiniert eine Liste von Verlagsleitern herunter, denen im operativen Geschäft der Hauptteil des Lorbeers gebühre. Der feinnervige Literaturbetrieb weiß so etwas zu schätzen und begegnet Eck nicht zuletzt deshalb mit hohem Respekt. Mit Respekt. Doch die Bewunderung der Branche, ihre Verehrung heimsen andere ein. Michael Krüger zum Beispiel, der Leiter des Hanser Verlages. Neben dem Riesen Random House nimmt sich Hanser zwar fast aus wie ein Zwerg – hat aber die edleren Bücher und erlauchteren Autoren im Programm: von Botho Strauß, dem orakelnden Zeitdeuter, bis zur viel gefeierten Nobelpreisträgerin Herta Müller. Natürlich weiß Klaus Eck das. Er kann darüber wenn nicht Lachen, so doch lächeln. „Ich wollte immer Dinge voranbringen“, sagt er, „wollte nie stehen bleiben. Dazu gehört für mich nicht nur der Sinn für gute Bücher, sondern eben auch der Sinn für gute Zahlen, Verkaufszahlen.“ Und den hat Eck: Seit er vor zehn Jahren die Verlegerische Geschäftsführung übernahm, hat sich die Anzahl der unter dem Dach von Random House zusammengefassten Verlage verdoppelt, ihr Umsatz sogar verdreifacht. Die Quote der Neuerscheinungen ist aber nur um 50 Prozent gestiegen: ein klares Indiz dafür, dass nicht schlicht mehr Titel produziert werden, sondern dass die Auflagen der Titel gesteigert wurden. Eck reiht die Sätze aneinander, wie ein eilig schnurrendes Schweizer Uhrwerk die Sekunden. Wenn man ihm zuhört, ahnt man, welche Schlagzahl er als Chef vorlegt. Vielleicht ist es also rundum folgerichtig, daß gerade Michael Krüger Random House – und damit Eck – vor ein paar Jahren als Plattmacher des deutschen Literaturmarkts angriff. Random House kaufe immer mehr Verlage auf, richte sie auf seichte Unterhaltung aus und verstopfe damit die Buchhandlungen. Für die Titel der wirklich guten, bedeutenden Autoren, bliebe so kein Raum mehr. Es war eine neue Runde im alten Streit zwischen Kunst und Kitsch, zwischen – angeblich – hehrer Dichtung und – angeblich – austauschbarer Massenware. Doch wer in Klaus Eck nur den Buch-Geschäftsmann sieht, den Kommerz-Heini, dem Literatur nichts und Profit alles bedeutet, macht es sich zu leicht. „Auch ich habe mal“, erzählt Eck, „Gedichte geschrieben. Zum 20. Geburtstag machte meine Freundin, spätere Frau, ein Buch daraus. Auflage: 1 Exemplar.“ Kein echter bestseller. „Aber der Ton der Gedichte war von Brecht abgeschaut, der war nicht von mir. Später habe ich an einer Doktorarbeit geschrieben über englisches Drama. Aber es kam mir vor, als würde das Leben immer langsamer, als würde ich stecken bleiben.“ Aus dem befürchteten Stillstand rettete Eck sich in ein Volontariat beim Lübbe Verlag. Vom Buchgeschäft hatte er nicht die geringste Ahnung. „Der Verleger Gustav Lübbe fragte am ersten Tag: Was wollen sie denn bei uns machen?“ Er habe, erzählt Eck, kühn davon gesprochen, einen neuen Thomas Mann entdecken zu wollen. „,Junger Mann´, meinte Lübbe daraufhin zu mir, ,damit Sie gleich was Richtiges lernen, stellen Sie mir erst mal einen Band mit Häschenwitzen zusammen. Die verkaufen sich immer.´“ Seit dieser frühen Lektion ging es für Eck immerzu aufwärts. Nach nur vier Jahren wurde er bereits Cheflektor beim leicht eingestaubten Goldmann Verlag, den er zusammen mit seinem legendären Marketing-Chef Volker Neumann so glänzend aufpolierte, dass ihm Bertelsmann die Verantwortung für noch zwei andere Verlage übertrug. 1996 rückte er dann in die erste Reihe des Konzerns vor und nennt sich seit 2001 Verlegerischer Geschäftsführer der in Random House umbenannten Verlagsgruppe. Doch sein Ehrgeiz galt nie den Bilanzen allein. Den Charme wahrhaft großer Literatur, den er mit Felix Krull entdeckte, hat er nie vergessen. 1998 riskierte er eine Beteiligung am Berlin Verlag, einem literarische hoch ambitionierten Unternehmen, dem es nie an großen Autoren, aber so oft am Glück bei den Lesern fehlte, dass Eck sich 2003 wieder zurückziehen müsste. „Eine große Niederlage“, so Eck. Inzwischen hat er mit Luchterhand, der DVA und Manesse drei andere renommierte Verlage zu Random House geholt, die nicht nur den kulturellen Ruf des Konzerns spürbar gut tun, sondern außerdem den Controllern nur wenig Kopfschmerzen machen. Doch ein Wermutstropfen bleibt: Auch Eck hat Random House nicht in eine Heimat für Schriftsteller verwandeln können, die man heute als die Repräsentanten der Weltliteratur betrachtet. Nachdem er Luchterhand kaufte, verließ Christa Wolf den Verlag. Sie könne nicht zulassen, sagte sie ihm, dass ihre Bücher im selben Haus erscheinen wie die Dieter Bohlens. Den neuen Thomas Mann, von dem Eck als junger Lektor bei Lübbe schwärmte, hat er bis heute nicht entdeckt. Wie leicht verfehlt man sie, die zarten Träume der Jugend. Auf die Frage, ob ihn das aller Karriere-Triumphe zum Trotz schmerzt, stockt das schnurrende Uhrwerk seiner Sätze für einen winzigen Augenblick. Dann sagt er energisch: „Ganz einfache Antwort: Ja. Natürlich schmerzt das. Auch ich wäre gern ein Michael Krüger geworden.“ Wie geht er mit dieser Enttäuschung um? „Ich suche immer noch. Und wenn ich ein besonderes Buch finde, ein herausragendes, dann versuche ich es im Verlag besonders zu fördern. Manchmal, seltenen, erfüllen sich die Blütenträume. Manchmal nicht. Doch wenn nicht, was kann man tun? Nur es erneut zu versuchen.“
Das Porträt erschien im „Focus“ vom 10. Oktober 2011