Schöner wird’s nicht

David Sedaris schöpft Witz aus den Widrigkeiten seines Lebens

Einfach ist das Leben nie und durch eine solide Neurose wird es nicht leichter. Das kann man zum Anlass nehmen für vielfältige Klagen. Doch die Aussichten, damit die Lage zu verbessern, sind nicht hoch. Denn, soviel stellt das neue Buch von David Sedaris schon mit seinem stoischen Titel klar, „Schöner wird’s nicht“. Man kann aber auch versuchen, die endlosen Widrigkeiten, mit denen man zu kämpfen hat, auf erfinderische Weise für sich nutzbar zu machen. Das ist ebenfalls nicht einfach, doch manchen besonders begabten Menschen gelingt es. Sie verwandeln ihre Problemen in die Energiequellen, die sie voranbringen. Sie sind dann zwar noch immer nicht auf Rosen gebettet, aber immerhin haben sie etwas, mit dem sie sich auf ihre Weise zur Wehr setzen können. Sedaris zählt zu diesen besonders begabten Geplagten. Heute ist er einer der bekanntesten komischen Autoren in den Vereinigten Staaten. Er hat es bis an die Spitze der Bestsellerliste der New York Times gebracht, schreibt für „New Yorker“ und „Esquire“, wurde als „Humorist of the Year“ gefeiert, mit dem James Thurber Prize for American Humor ausgezeichnet und durfte bei David Letterman zur besten Late-Night-Sendezeit fünf Minuten lang eine seiner Stories vorlesen (zu bewundern auf YouTube: www.youtube.com/watch?v=YBdymtyXt8Y). Viel mehr darf man, falls man nicht vermessene Forderungen ans Leben stellen möchte, als Schriftsteller nicht erwarten: Schöner wird’s nicht. Das Rohmaterial aus dem Sedaris seine Geschichten entwickelt, ist autobiographischer Natur. Er ist als komischer Erzähler auf die Ich-Form eingeschworen. Allerdings wäre es ein Missverständnis zu glauben, ihm würden häufiger komische Dinge zustoßen als anderen. Im Gegenteil, vieles von dem, über das er schreibt, könnte man als waschechte Schicksalsschläge bezeichnen. Da ist beispielsweise der offenbar unerschöpfliche Schatz von Ausgrenzungs- und andern Schreckens-Erfahrungen aus den Jugendjahren im sonnigen, aber spießigen North Carolina. Oder die Erinnerungen an seine gescheiterte Karriere als Performancekünstler. Oder an seine erfolgreiche Karriere als Drogenkonsument. Oder an die Aushilfsjobs, mit denen er sich über Wasser hielt, bevor er mit seinen ersten Radio-Texten Erfolg hatte. Der Witz der Geschichten rührt zu einem Gutteil her aus dem offenkundigen Widerspruch zwischen der hochintelligenten, geschmeidigen Sprache des Autors namens Sedaris und der Unfähigkeit seines Helden namens Sedaris mit vergleichsweise einfachen Anforderungen des Alltags zu Rande zu kommen: Ob es darum geht, nach mehreren Jahren Aufenthalt in Paris allein ein Restaurant zu besuchen oder friedlich mit Sitznachbarn in Flugzeugen auszukommen oder auch nur mit dem Taxifahrer small talk zu machen. Noch die harmloseste Begegnung mit fremden Leuten kann für ihn gepflastert sein mit Peinlichkeiten, weshalb er zu den aberwitzigsten Verrenkungen neigt, um alle potentiellen Fettnäpfchen zu vermeiden – dabei aber desto sicherer von dem einem ins nächste tritt. Doch das heißt nicht, dass Sedaris alter ego im Umgang mit vertrauten Menschen entspannter wäre. Zumindest nicht, wenn es sich um Familienangehörige handelt. Wie im Vorübergehen lässt Sedaris finsterste Konflikte in knappen Nebensätzen anklingen. Wenn er von seinem vertraulichen, fast zärtlichen Umgang mit Spinnen erzählt, heißt es unvermittelt: „Ich hatte diese Einstellung von meinem Vater, der nichts zerquetschte, das nicht unmittelbar mit ihm verwandt war.“ Oder wenn er von seiner Unfähigkeit berichtet, ein herzhaftes Lachen zu unterdrücken, schreibt er ganz unvermittelt: „Das hatte ich schon als Kind gelernt. Ich weiß auch nicht genau warum, aber nichts ärgerte meinen Vater mehr als das Lachen seiner Kinder. Wenn alle heulten, war das nicht weiter schlimm, aber lautes Gelächter hieß, es auf eine Bestrafung anzulegen.“ Angesichts solcher Seitenhiebe liegt die Versuchung nahe, den Ursprung von Sedaris’ liebevoll gehätschelten Unverträglichkeiten und Idiosynkrasien in offenbar wenig beglückenden Familienverhältnissen zu orten. Damit würde dann noch verständlicher, weshalb Sedaris auch in diesem Buch in immer neuen Geschichten seine Kindheitsjahre durchforscht. Es wirkt fast so, als sei er den biographischen Ausgangspunkt auf der Spur, von dem an er sich so ganz anders entwickelte, als die anderen Menschen, die in seinen Augen mit dem Leben besser zu Rande kommen als er. Vermutlich kann man, psychologisch gesprochen, darin eine Form von schreiend komischer Trauerarbeit sehen. Je nach Lesertemperament wird man den Akzent eher auf „schreiend“ oder auf „komisch“ legen – lachen aber wird man auf jeden Fall.

David Sedaris „Schöner wird’s nicht“. Aus dem Amerikanischen von Gregor Deggerich. Karl Blessing Verlag, München 2008. 320 Seiten, 19,95 €

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