Der Universalkönner

Der Universalkönner Zum Tode von Volker Kriegel

Eine seiner schönsten Zeichnungen zeigt ein Bierzelt samt begeistert „Bravo!“ brüllendem Publikum. Auf der Bühne stehen ein Trompeter und ein Musiker an der Tuba mit Lederhosen, Gamsbarthüten und Maßkrügen. Der Trompeter ruft ins Mikrophon: „Danke! Danke sehr! Vielen Dank. Wir spielen jetzt als Nächstes ein Stück von unserem Pianisten Theo Adorno. Es trägt den schönen Titel „Geliebt wirst du nur dort, wo du schwach sein kannst, ohne Stärke zu provozieren‘ oder jedenfalls so ähnlich! Danke! Danke sehr! Prost!“ Der Cartoon bringt einige der vielen Facetten Volker Kriegels ins Bild: Studiert hatte er Soziologie in Frankfurt, der Stadt Adornos, und dessen Jazz-Allergie war ihm kein Geheimnis, als Musiker kannte er den coolen Ton der Jazzkeller-Ansagen nur zu genau, und als Zeichner wusste er, welche komischen Funken sich schlagen ließen, wenn er diesen Ton in die Atmosphäre eines bayerischen Bierzelts verpflanzte. Kriegel war ein Könner in vielen Disziplinen und als Jazz-Rock-Gitarrist, Zeichner und Autor komischer Texte zählte er zu den Besten des Landes. Jetzt ist er im Alter von 59 Jahren nach kurzer Krankheit in Spanien gestorben. Was immer er tat, er tat es mit der Leidenschaft für handwerkliche Sorgfalt. Er war kein Freund des genialisch Hingehuschten, sondern des genial Gekonnten. Mit 13 Jahren brachte er sich Gitarrespielen bei, gewann seinen ersten Jazzwettbewerb, und nachdem er, wie F.W. Bernstein einmal schrieb, „einige Male den Jazzkeller in Frankfurt geschwänzt hatte, um sich in der Schule herumzutreiben“, zählte er bald mit seinen Gruppen „Spektrum“ und „Mild Maniac Orchestra“ und als Mitbegründer des „United Jazz & Rock Ensemble“ zu den unbestrittenen Größen der Szene. Ebenfalls schon als Schüler veröffentlichte er erste Cartoons. Auch hier bevorzugte er die klare, prägnante Linie, huschte seine Figuren und Pointen nicht hin, sondern kitzelte mit exakter Federführung noch den letzten, köstlichen Rest von Komik aus den Bildern hervor. Seiner sarkastischen „Hundekunde“ (1986) wurde die für deutsche Cartoons seltene Ehre zuteil, auch in England und Frankreich verlegt und geliebt zu werden. Lange hat Kriegel zudem das graphische Gesicht des Zürcher Haffmans-Verlags mitbestimmt, hat Buch-Cover für Julian Barnes, David Lodge und Gustave Flaubert geschaffen und Charles Dickens‘ „Weihnachtsmärchen“ (1994) neu übersetzt und hinreißend illustriert. In den letzten Jahren pflegte er mehr und mehr seine zeichnerischen Talente. Seine Bildergeschichten wurden gern als Kinderbücher betrachtet. Sicher ist, dass sie Einsichten zu Leben und Kunst enthalten, die für erwachsene Leser oft einfach zu schwierig sind, Kindern aber sofort einleuchten

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