Die langweilige Liebe der Terroristen

Leander Scholz‘ Roman „Rosenfest“  

Mein Gott, was für ein kümmerlicher Roman. Es fällt schwer, an Leander Scholz‘ „Rosenfest“ einen positiven oder auch nur diskussionswürdigen Aspekt auszumachen. Ich habe es versucht, ich bin gescheitert. Dieses Buch ist in meinen Augen so platt wie eine „Bravo“-Homestory über den neuesten Lover von Jenny Elvers – mit dem Unterschied, dass ein „Bravo“-Bericht besser geschrieben sein müsste als „Rosenfest“. Einen so sprach-, hilf- und ahnungslosen Roman wie diesen habe ich lange nicht in Händen gehalten. Unübersehbar spekuliert Scholz auf den sensationellen zeitgeschichtlichen Hintergrund seines Buches. Er gibt vor, die Liebesgeschichte zwischen Gudrun Ensslin und Andreas Baader – den beiden Terroristen der ersten RAF-Generation – noch einmal romanhaft zu erzählen. Dabei geht er allerdings so frei mit seinen Figuren und den historischen Fakten um, dass sich das Buch fast völlig von den tatsächlichen Geschehnissen ablöst. Dagegen wäre nicht das Geringste einzuwenden, wenn Scholz statt dessen zwei irgendwie bemerkenswerte Romancharaktere schilderte und eine irgendwie bemerkenswerte Romanhandlung ersonnen hätte. Doch seine Figuren und deren Erlebnisse sind derart banal und nichtssagend, dass ich mitunter ganz erschüttert vor diesem Buch saß. Um ein Beispiel zu geben: Das verliebte Paar reist, nachdem es in Frankfurt ein Kaufhaus angezündet hat, nach Paris und erwacht am Morgen nach der Ankunft. Wir Leser werden daraufhin Zeuge des folgenden ergreifenden Dialogs: „Morgen.“ „Morgen.“ „Wie geht’s?“ „Gut.“ „Hast du gut geschlafen?“ „Sehr gut. Und du?“ „Ebenso. Ausgezeichnet.“ „Möchtest du Kaffee?“ „Gerne.“ Undsoweiterundsofort. Man fasst es nicht. Scholz drischt seitenweise solch dürres Stroh. Nichts wird durch seine Prosa nachvollziehbar oder gar anschaulich, nicht die Atmosphäre der prekären Jahre zwischen 1968 und 1972, nicht die psychische Verfassung von Menschen, die einer ganzen Gesellschaft den Krieg erklären. Allenfalls eins ist nicht zu übersehen: Das die Köpfe der Figuren ungefähr so hohl sind wie dieser Dialog. Die Idee des Romans – wenn bei diesem Buch von einer Idee die Rede sein kann – lässt sich auf der Rückseite einer Briefmarke notieren: Scholz schildert seine Ensslin und seinen Baader als ein leicht wirres, leicht hysterisches, hauptsächlich aber ineinander vernarrtes Paar, das kaum je politische Gespräche führt oder politische Gedanken denkt. Dennoch werden die beiden Liebesleute nach ihrem ersten Brandanschlag von Presse und Polizei regelrecht in die Rolle von Staatsfeinden gedrängt. Weshalb aber die zwei, wenn doch Politik in ihrem Leben offensichtlich kaum einen Raum einnimmt, zuvor an Demonstrationen teilnahmen und in Kaufhäusern zündeln, darüber lässt Scholz seine Leser ebenso im Dunkeln wie über die finsteren Antriebe der Journalisten und Staatsschützer. (Wobei es, um es noch einmal zu sagen, nicht um historische Richtigkeit geht, sondern um literarische Plausibilität). Doch wer wollte es Scholz zumuten, sich um angemessene Motivationen seiner Figuren zu kümmern, wenn er doch schon so große Probleme hat mit der deutschen Sprache zurecht zu kommt. In seinem Roman weiß beispielsweise eine Telefonistin, „dass sich hinter den meisten Drohanrufern nur Wichtigtuer oder gestörte Psychen verbergen“, obwohl sich doch schwerlich hinter einem Anrufer eine Psyche verbergen kann. Da winkt Che Guevara „den entlaubten Vietcong zu“. Da erschreckt ein ehemaliger Liebhaber Gudrun Ensslin so, dass sie „einen gestörten Sprung von ihm weg“ macht und wenig später findet er „selbst kein Nest in der Mauer, die Gudrun jetzt hinter sich hochziehen will“. Dieses komplette schriftstellerische Desaster überrascht auch deshalb, weil Leander Scholz der Ruf vorangeht – oder vorangeschickt wird – ein hoffnungsvoller Nachwuchsautor zu sein. Vielleicht kann er tatsächlich, wie berichtet wird, glänzend über Literatur diskutieren. Zu der Vermutung, er könne Literatur schreiben, gibt dieser Roman meines Erachtens keinen Anlass. Ich habe in „Rosenfest“ nicht einen Satz gefunden, den sich zu lesen lohnte.

Leander Scholz: „Rosenfest“. Roman
Carl Hanser Verlag, München 2001. 246 S., 35 Mark

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