Der Lautpoet Michael Lentz hat sein ersten Stück geschrieben
Ist Gott ein Sprachspiel? Sind die kostbaren Tröstungen der Religion lediglich eine Frage des Wortschatzes? Und Religionskonflikte folglich nur das Resultat unterschiedlichen Vokabulars? Der Lautpoet und traditionsbewusste Sprachspieler Michael Lentz stürzt sich in seinem fürs Frankfurter Theater geschriebenen Bühnentext „Gotthelm oder Mythos Claus“ in lauter Letzte Fragen. Doch sind die in seinen Augen nicht nur finsterernst, sondern auch groteskkomisch, weshalb er seinem Stück den Untertitel „Eine Trophobie“ gibt – und sich damit den alten Liedertitelscherz „Klaus (Trophobie)“ der Gruppe Rosenstolz unter den Nagel reißt. Sechs Frauen, alle mit Namen Claus und von äußerst schlichtem Gemüt, sitzen beim Friseur und stolpern im Kreuzworträtsel über das ihnen unbekannte Lösungswort „Gott“. Parallel dazu streiten sie sich um eine Frisierhaube, die offenbar über die eigentümliche Gabe verfügt, nicht nur die Haare, sondern auch die Gedanken neu zu ordnen: Sie verschafft jeder der Kundinnen ihr spezifisches Erweckungserlebnis. Kaum unter der Haube hervorgekommen, hat die eine ihren Gott in buddhistischen Atemübungen gefunden, die andere in einem selbst gebastelten Roboter, die nächste in mystischer Askese, und so weiter. Zur Natur derartiger Erweckungserfahrungen gehört, dass sie kaum vorgeführt, wohl aber wortreich beschrieben werden können. Also lässt Lentz seine Figuren sturzbachartig reden und reden und reden – und, da sich die jeweiligen Gotteserlebnisse widersprechen, naturgemäß auch ein wenig streiten und zanken. Das gibt ihm Gelegenheit eine seiner literarischen Lieblingsübungen durchzuspielen, nämlich die notorisch sinnbefrachtete Sprache durch rasantes Reden in sinnfreie Lautfolgen zu verwandeln, um dann hinter dieser puren Wortmusik wieder eine ferne Ahnung von Sinn aufscheinen zu lassen. Die Regie von Christiane J. Schneider schmiegt sich dem Literaturprogramm von Lentz an. Sie lässt sein Worttheater von den Schauspielern als Sprachtrommelfeuer mit gnadenlosem Tempo ins Publikum ballern. Sie betont die verspielten, skurrilen, komischen Züge des Stückes – was ihm zweifellos gut tut. Denn auch wenn Lentz gelegentlich mit dem Schwarzbrot gewichtiger Sprachphilosophie zu liebäugeln scheint, hat er hier doch eher sprachverliebte Zuckerwatte abgeliefert. Folgerichtig hat Bühnenbildner Uli Winters aus dem Friseursalon eine Art Jahrmarktbude gemacht. Bewundernswert ist, was die Schauspielerinnen aus ihren Rollen, herausholen, die ihnen außer Worten, Worten, Worten wenig vorgeben. So verwandeln sie eine Podiumsdiskussion, in der Lentz den üblichen Phrasenleerlauf angeblich intellektueller Debatten demonstriert, in eine prächtige Parodie auf Achtundsechziger-Vollversammlungen mitsamt sämtlicher Macho-Gesten der selbsternannten Revolutionsführer. Vor allem Kartin Grumeth, die sonst nicht oft ihre komischen Talente vorführt, glänzt als Komödiantin und zeigt, wie hilfreich es ist, Charme zu haben, wenn man witzig sein will.