Kein Protest für „Esra“

 Ein Kommentar 

Seit zweieinhalb Jahren ist der Roman „Esra“ von Maxim Biller in Deutschland verboten. Zwei Frauen aus München sind der Meinung, in dem Buch porträtiert zu sein. In fünf Verfahren – zuletzt vor dem Bundesgerichtshof – mußten Richter in ihren Urteilen abwägen zwischen der Freiheit der Literatur und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte. Obwohl sich „Esra“ im Untertitel als Roman, also als eine fiktive Geschichte, zu erkennen gibt und die angeblich porträtierten Personen nicht mit Namen genannt werden, hat sich auch der Bundesgerichtshof für das Verbot entschieden. Damit wurde nicht allein für dieses Buch, sondern für jede Literatur in Deutschland eine heikle juristische Grenze gezogen. Wer auch immer sich in einem Roman, einem Gedicht oder einem Theaterstück wiederzuerkennen glaubt und den Richtern dafür einige Anhaltspunkte liefern kann, hat jetzt Machtmittel gegen den jeweiligen Autor in der Hand. Tatsächlich sind seit Beginn des Verfahrens gegen Biller bereits Verbote gegen zwei weitere Bücher ausgesprochen worden. Man sollte glauben, dies müßte die einst so kämpferischen Interessenvertreter der Autoren, also den PEN-Club, den Verband deutscher Schriftsteller (VS) oder auch den Börsenverein des deutschen Buchhandels zu lauten Protesten oder wenigstens zu leisen Warnungen bewegen. Doch obwohl die drei Organisationen sonst mit Resolutionen nicht eben zimperlich sind, verloren sie zum Fall Biller bislang kein öffentliches Wort. Der Verlag Kiepenheuer & Witsch, der „Esra“ veröffentlichte, hat den kostspieligen Prozeß nicht nur bis zum Bundesgerichtshof durchgefochten, sondern jetzt auch Verfassungsbeschwerde eingelegt. Der zuständige Berichterstatter des Verfassungsgerichtes, Brun-Otto Bryde, fordert nun das Überfällige ein: Er verlangt von PEN, VS und Börsenverein, in der Sache Stellung zu beziehen – schließlich können sie sich nicht nur dann zur Literaturfreiheit äußern, wenn es ihnen bequem ins jeweilige politische Schema paßt. Außerdem hat Bryde noch das Bundeskanzleramt um seine Meinung gebeten. Doch das ist in diesem Fall befangen. Denn einer der beiden Kläger, der im Windschatten des Verfahrens gegen Biller einen Roman, einen Krimi, hat verbieten lassen, war kein anderer als Noch-Bundeskanzler Gerhard Schröder

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