Thommie Bayers „Kleine Geschichte vom Glück“
Thommie Bayer wird, vor allem im südwestdeutschen Raum, als Autor unterhaltsamer Romane gefeiert. In Freiburg und Umgebung ist er weltberühmt. Der Kulturbetrieb hierzulande hat lange Zeit in einer unsympathischen Mischung aus Weltfremdheit, intellektueller Überheblichkeit und altbackenem Avantgardismus auf Literatur herabgeschaut, die sich nicht allein der Kunst, sondern auch dem Vergnügen ihrer Leser verpflichtet sieht. Doch das ist weitgehend vorbei, selbst ehemals recht verbissene Kritiker bekennen sich inzwischen dazu, Unterhaltung zu schätzen zu wissen. Es ist also unnötig geworden, Autoren wie Bayer gegen pauschale Missachtung zu verteidigen, sondern vielmehr an der Zeit zu schauen, ob und wie gut sie ihren Unterhaltungsjob erledigen. In dem neuen Roman „Eine kleine Geschichte vom Glück“ gewinnt der schon aus Bayers Buch „Überdosis Liebe“ bekannte, mäßig erfolgreiche Musiker und PR-Autor Robert Allmann 6,2 Millionen Euro im Lotto. Ein originelles, reizvolles Thema: Während zahllose Romane davon handeln, wie deren Helden mit außerordentlichem Unglück umgehen, muss Allmann mit einem außerordentlichen Glücksfall fertig werden. Doch leider weiß Bayer mit seinem Thema nicht viel anzufangen. Noch bevor Allmann seiner Frau von dem Geldsegen berichten kann, kommt es zum Streit und sie verlässt ihn. Von diesem Moment an steht nicht mehr das unverhoffte Glück im Mittelpunkt der Romans, sondern die literarisch weit weniger originelle Frage, wie der Held sein plötzliches Liebesunglück verarbeitet. Als große Schwäche des Buches erweist sich, dass Bayer wenig Talent dazu hat, anschaulich zu erzählen. Die Figuren, Städte oder Landschaften, die er schildert, gewinnen im Text keine nennenswerte Ausstrahlung. Alles wird im Grunde nur benannt und behauptet, nichts aber den Lesern sinnlich vor Augen gestellt. Hinzu kommt, dass Bayer aus seinem Helden fast einen Heiligen macht. In dessen Seele finden sich keine finsteren Winkel, wo immer Hilfe gebraucht wird, ist er zur Stelle. Er kauft sich einen schnellen Wagen, aber er fährt so rücksichtvoll wie ein buddhistischer Mönch. Er fühlt sich vom Vater und den Schwestern schlecht behandelt, will sie aber dennoch fürstlich beschenken. Seine Frau, die ihn schon lange mit einem Kollegen betrügt, speist ihn mit fadenscheinigem Geschwätz ab, wenn er nach den Gründen für die Trennung fragt – doch in seinem Herzen rührt sich kein Zorn, sondern nur Zuneigung und Wehmut. Darf man so etwas Kitsch nennen? Ich glaube schon. Bayer nimmt die Sorgen seines Neumillionärs, der Glück im Spiel hatte und daraufhin klischeegemäß vom Pech in der Liebe heimgesucht wird, nie wirklich ernst. Er versucht nie zu begreifen, wie es tatsächlich um dessen Seelenleben bestellt sein könnte. Stattdessen gibt er sich alle Mühe, seinen Helden – als Identifikationsangebot an den Leser – so positiv und einnehmend wie möglich erscheinen zu lassen. Das hat nichts mit Literatur zu tun und nur wenig mit Unterhaltung, viel aber damit, dass es ein Autor hier seinen Lesern und sich selbst so einfach wie möglich macht.
Thommie Bayer „Eine kurze Geschichte vom Glück“. Roman Piper Verlag, München 2007 215 Seiten, 16,90 €