„Arno Schmidt? – Allerdings!“

Eine mustergültige Ausstellung in Marbach präsentiert Leben und Werk eines schwierigen Autors
Viel besser kann man es nicht machen. Die Ausstellung „Arno Schmidt? – Allerdings!“, die zur Zeit im Schiller-Nationalmuseum gezeigt wird, ist klug konzipiert, hoch informativ, nie unkritisch und dazu noch amüsant. Man darf sie geradezu als ein Muster für die öffentliche Präsentation eines Schriftstellerlebens betrachten. Denn Literatur-Ausstellungen geraten nur zu leicht in die Gefahr, sich entweder auf eine weitgehend unsinnliche Abfolge von Vitrinen mit Manuskriptblättern und aufgeschlagenen Büchern zu beschränken, oder aber ins andere Extrem zu verfallen und ihren zwangsläufig textorientierten Gegenstand durch spektakuläre optische Illustrationen zuzukleistern und also zu verraten. Die Ausstellung der Arno Schmidt Stiftung findet hier mit viel Fingerspitzengefühl einen vorbildlichen Mittelweg. Allerdings verfügt sie auch über einem geradezu unerschöpflichen Schatz an Archivmaterialien. Denn Arno Schmidt (1914 – 1979) sammelte von früh an die Zeugnisse der eigenen Biographie und Arbeit mit einer halb buchhalterischen, halb selbstironischen Akribie. Die Stiftung hat dann, nicht zuletzt durch das mäzenatische Engagement von Jan Philipp Reemtsma, dafür sorgen können, daß diese Materialien nach Schmidts Tod nicht in alle Winde verstreut wurden. So muß es für die Kuratoren Susanne Fischer, Jörg W. Gronius, Petra Lutz, Bernd Rauschenbach und Reemtsma selbst ein wahres Fest gewesen sein, diese Ausstellung zu Ehren ihres literarischen Hausgottes zusammenzustellen. Die Freude an der Arbeit merkt man der Präsentation an. Sie konzentriert sich auf zehn Themen: Breit veranschaulicht sie die Biographie des Meisters mit vielen bislang weitgehend unbekannten Fotos und Dokumenten. Einzelne Säle sind jeweils dem Wortschöpfer, dem Landschaftsschwärmer und -fotograf, den Bücherfresser, dem Erotiker und dem politischen Autor Schmidt gewidmet. Da nur wenige andere Autoren mit solchem Nachdruck „Ich“ in ihrem Werk sagten wie Schmidt („Ich finde Niemanden, der so häufig recht hätte, wie ich!“) und er ein besonderer Liebhaber von Mondmetaphern war, werden diese Aspekte des Werks gesondert hervorgehoben. Dazu sind seine legendären Zettelkästen, viele seiner Schreibmaschinen, Lupen, Lesezeichen und schriftstellerischen Handwerkszeuge zu sehen bis hin zu Bücherstützen, Bildvorlagen oder alltäglichen Kleinigkeiten auf die er in seinen Büchern Bezug nahm. Gar nicht genug loben kann man die Sorgfalt, mit der die Ausstellungsmacher nahezu alle Objekte durch knappe Textausschnitte aus den Büchern oder Briefen Schmidts gleichsam vom Autor selbst kommentieren lassen. Kenntnisreich und anregend ist auch die Auswahl der Zitate aus dem Werk, die als Schriftanimationen oder durch Toninstallationen den Besuchern angeboten werden. Der Vorwurf, daß manche eingeschworene Leser Arno Schmidts einen distanzlosen Kult um ihren Autor treiben, ist inzwischen altbekannt. Die Marbacher Präsentation jedoch zeugt nicht von verbohrter Schmidt-Besessenheit, sondern von unverkrampfter Schmidt-Begeisterung, die auch kritische oder ironische Töne nicht ausschließt und gerade deshalb überzeugend und mitreißend wirkt. Wer will, kann es als einen kleinen Nachteil der Ausstellung betrachten, daß sie keine zugespitzte These vertritt. Sie möchte eine knappe Einführung in Leben und Werk Schmidts sein, mehr nicht. So rückt sie diesen Nachkriegsschriftsteller beispielsweise nicht in ein Gesamtbild der deutschen Nachkriegsliteratur. Sie spürt auch nicht den Gründen nach, weshalb der geistreiche, witzige Autodidakt Schmidt sowohl durch andere wie durch sich selbst im Literaturbetrieb in eine Außenseiterrolle gedrängt wurde – und welche Folgen das für sein Werk und dessen Wirkung hatte. Aber, was soll’s. In ihren monographischen Qualitäten ist diese Ausstellung kaum zu überbieten. Und alles andere kann ja noch kommen

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